Faszinierende Fadenkunst: String Art "Der Bulli"
- Paul
- 12. Okt. 2019
- 9 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Feb. 2020


String Art (zu deutsch: Fadenkunst) ist eine Technik, die mithilfe von Nägeln und darum gespannten Fäden faszinierende plastische Effekte erzeugt.
Doch was bedeutet das konkret? Wie geschickt muss ich für String Art wirklich sein? Und wie bekomme ich diesen Chaos Look auf das Holz? Diese Fragen und etliche weitere versuche ich im Folgenden bestmöglich zu beantworten.
Schritt 1: Planung
Ja ich weiß, kaum jemand hat Lust auf diesen Schritt und auch ich würde am liebsten sofort mit dem Kunstwerk beginnen, dennoch ist eine gute Planung unerlässlich und sollte gerade bei zeitintensiveren Projekten schriftlich festgehalten werden (Stichpunkte sind völlig ausreichend).
Worüber sollte ich mir nun Gedanken machen?
• Welches Holz?
Die Frage nach dem Holz für den Hintergrund ist nicht nur von der Optik geprägt. Man unterscheidet Hart- sowie Weichholz. Alle Hölzer mit einer Darrdichte unter 0,55g/cm³ werden als Weichholz bezeichnet und darüber hinaus dann als Hartholz. Die Darrdichte bezeichnet dabei einen Zustand, indem das Holz restlos getrocknet wurde, also das Gewicht bei 0% Feuchtigkeit. Dieser Zustand ist in der Natur nicht anzutreffen und nur unter Laborbedingungen erreichbar.

Was bringt mir diese Information nun? Erstmal gar nichts, allerdings sollte man sich deshalb Gedanken über die Holzwahl machen. So lassen sich in weichem Holz die Nägel wesentlich leichter einschlagen als in hartem Holz. Ich habe für den Bulli Eiche, aufgrund der gleichmäßigen Struktur sowie des schönen Farbtones gewählt. Dementsprechend mussten meine Nachbarn beim Nageln etwas mehr leiden. Deshalb empfehle ich für den ungeübten Hammerschwinger ein weiches Holz wie beispielweise Fichte.
• Welches Motiv?
Die wohl schwierigste Frage auf die ich keine Antwort geben will. Denn das richtige Motiv ist alleine deine Entscheidung. Generell ist jedes Motiv aus Umrissen möglich. Der Einfachheit halber empfehle ich jegliche Motive aus Malbüchern, da diese nur aus Umrissen bestehen.
• Welche Größe?
Die Größe des Kunstwerkes hängt ganz vom geplanten Ausstellungsort ab. Generell gilt: Zu kleine Kunstwerke sind knifflig zu bespannen sowie zu große Bilder sehr viel Ausdauer erfordern. Mein Bulli ist 60 x 60 cm groß und hat durchweg Spaß gemacht.
• Welche Farben?
Eine ebenso schwierige Frage. Wähle die Farben so wie du sie für dein Motiv am passendsten findest, sei dir allerdings bewusst, dass die gewählten Farben auch als Faden in größeren Mengen, nicht allzu teuer zur Verfügung stehen müssen.

• Welche Aufhängungstechnik?
Eine Frage, die im ersten Moment evtl. überflüssig erscheint, doch jeder Ausstellungsort erfordert unterschiedliche Aufhängetechniken. Ob versteckte Halterungen auf der Rückseite oder direkt an der Wand festgeschraubt, es gibt viele unterschiedliche Möglichkeiten. Gerade bei großen und schweren Kunstwerken ist es wichtig einen Sicheren Halt zu gewährleisten.
Ich habe für meinen Bulli eine Galerieaufhängung gewählt, wie ich diese realisiert habe erfährst du unten.
• Welches Werkzeug brauche ich?
Eine generelle Frage, die man sich immer vor Beginn von handwerklichen Arbeiten stellen sollte. Warum? Niemand möchte feststellen, dass ihm das Handwerkzeug zum Loslegen fehlt. Für das Sting Art brauchte ich folgendes Werkzeug:
- Schleifpapier
- 100g Hammer
- Häkelnadel
- Akkubohrmaschine
- Holzbohrer
• Welches Material brauche ich?
Auch diese Frage sollte man sich vor Beginn jeder handwerklichen Tätigkeit stellen. Für das Sting Art brauchte ich folgendes Material:
- Holzbrett (bei mir Eiche 600 x 600 x 18 mm geölt)
- Nägel (bei mir 1,4 x 25mm Flachkopf; Alternativ: 1,4 x 25 – 35 mm Linsenkopf)
- Ösen für die Aufhängung
- Baumwollfaden in verschiedenen Farben und ausreichender Länge
Der Bulli besteht aus fast 400 m Faden. Die Dicke der Fäden hängt von der Größe der Bilder ab. Je größer das Kunstwerk desto dicker sollten die Fäden sein.
Schritt 2: Kanten schleifen und Aufhängung anbringen
Nachdem ich mir nun einige Gedanken gemacht hatte, ging es auch endlich mit dem String Art los. Zuerst wählte ich eine Massivholzplatte aus Eiche als Grundplatte aus. Diese gab es im Baumarkt allerdings nur in den Maßen 800 x 600 x 18 mm, dank des kostenlosen Zuschnitt-Services wurde daraus eine 600 x 600 x 18 mm Platte.

Anschließend habe ich die Kanten mit 120er Schleifpapier glattgeschliffen.
Hierbei ist immer die Faserrichtung des Holzes zu beachten. Die Merkregel lautet: Immer mit der Faser. Wird diese beachtet, kommt es auch nicht zu einem Ausfransen. Nebenstehende Grafik soll die korrekte Bewegungsrichtung verdeutlichen.
Als Nächstes habe ich mich um die Aufhängung gekümmert. Richtig gelesen, gleich am Anfang! Da ich für ihre Befestigung stirnseitig relativ tief in das Holz bohren musste, wollte ich nicht die Zerstörung des fertigen Kunstwerkes riskieren.

Die von mir gewählte Galerieaufhängung besteht aus zwei Ösen, die an der oberen Stirnseite eingeschraubt wurden. Diese können dann anschließend einfach in zwei Hacken an der Wand eingehängt werden oder wie in einer Galerie von der Decke an zwei Stahlseilen hängen.
Für die Ösen benutzte ich 3,5 x 60 mm Ösenhacken mit Holzgewinde.
Beim ersten Versuch bohrte ich mit einem 2,5 mm starken Holzbohrer vor und schraubte die Öse ein.

Leider hatte ich die Rechnung ohne die sehr feste Eiche gemacht. Mir riss die Öse einfach ab! Der Teil mit Gewinde blieb im Holz stecken und ich hatte die Öse in der Hand. Das etwas schief geht ist ganz normal. Die Frage, die sich aufwirft ist einzig, wie man eine solche Panne am besten kreativ "vertuscht". Wie Bob Ross einmal sagte: “We don't make mistakes, just happy little accidents.” Und genau in diesem Sinne sollte man sich nicht unterkriegen lassen, wenn doch etwas nicht so läuft wie anfangs geplant. Deshalb empfehle ich für hartes Holz einen etwas größeren Bohrer (3,0) zum Vorbohren, für weicheres Holz einen kleineren (2,5). Auch solltet ihr nach Möglichkeit etwas tiefer bohren als der Hacken in das Holz ragt, um ein Sprengen des Holzes zu vermeiden.
Schritt 3: Vorlage aufbringen und Nägel einschlagen
Endlich geht das eigentliche Kunstwerk los!
Nach dem ich mich für das Motiv des Bulli's entschieden hatte, suchte ich eine geeignete Malvorlage,
die meine Vorstellungen erfüllte und ging in den nächsten Kopiershop. Dort ließ ich mir das Bild vergrößert ausdrucken. Die Druckqualität ist bei einer solchen Anwendung nebensächlich. Mein Tipp: Denkt daran, dass ihr evtl. einen Rand um euer Motiv freilassen solltet, um es damit besser zur Geltung kommen zu lassen, also das Bild etwas kleiner als die Grundplatte ausdrucken.
Den Ausdruck habe ich einfach grob ausgeschnitten und mittig auf dem Holz platziert. Anschließend habe ich ihn mit Klebeband befestigt. Achtet darauf kein zu fest klebendes Band zu verwenden, da dieses später wieder entfernt werden muss. Kreppband eignet sich hierfür gut.
An die Nägel, fertig, los!
Zuvor sollten allerdings einige Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, um den Tisch wie auch die Nachbarn zu schonen. Als Unterlage sollte auf jeden Fall eine weiche Matte gelegt werden. Ein Handtuch eignet sich ein ebenfalls. Noch besser wäre eine Verlagerung der Arbeiten am besten in den Garten, da dort der Lärm nicht durch die Wände und den Fußboden weitergetragen wird. Die Nägel habe ich mit einem kleinen 100g Hammer eingeschlagen. Wer Angst hat sich auf die Finger zu hauen, kann den Nagel auch mit einer Spitzzange festhalten. Die Nägel werden anschließend in 1cm großen Abständen so in das Holz geschlagen, dass noch etwa 15 – 20 mm herausstehen. Wichtig ist, dass die Nägel feste im Holz sitzen aber noch weit genug aus dem Holz stehen, so dass anschließend die Fäden darum gewickelt werden können. Ich nutzte den kleinen Hammer als Höhenanschlag, da der Kopf des Hammers 15 mm hoch war. Je gleichmäßiger das Einhämmern geschieht, desto schöner lassen sich dann die Fäden spannen. Da ich unverzinkte Nägel nutzte löste sich beim Festhalten der Nägel ein schwarzer Staub, der meine Hände sowie die Vorlage leicht schwarz färbte. Abhilfe für meine Hände schaffte Handwaschpaste. Die Spuren auf dem Holz, ließen sich einfach mit einem Radiergummi entfernen. Das Nageln kann sich ein bisschen Hinziehen und sollte nicht unterschätzt werden. Also nicht unterkriegen lassen und fleißig weiter Hämmern.

Sind alle Konturen gleichmäßig mit Nägeln versehen, solltet ihr unbedingt ein Foto machen, um auch nach Entfernen der Vorlage noch zu wissen, welche Nägel zu welcher Form gehören. Gerade beim VW-Zeichen des Bulli's kam mir dieser Trick zu Hilfe.
Nachdem ich die Klebestreifen gelöst hatte, konnte ich nun die Vorlage abreisen. Übrig gebliebene Papierfetzten entfernte ich mit einer trockenen Spülbürste, da diese mit ihren langen Borsten über die Nägel wunderbar hinweggleiten. Hartnäckige Papierfetzen lassen sich schließlich noch mit einer Pinzette entfernen.
Schritt 4: Erste Fäden spannen
Welche Farbe soll in welche Ebene?
Was soll am fertigen Kunstwerk im Vordergrund und was im Hintergrund liegen. Beim Bulli entschied ich mich dafür, die Reifen in den Hintergrund zu verlagern, ebenso wie das grün. Die Graue Stoßstange sollte in den Vordergrund und auch der weiße Teil des Chassis sollte das Grün überlappen. Die Scheinwerfer wie auch die Blinker sollten in den Vordergrund gerückt werden. Diese Überlegungen legen fest, in welcher Reihenfolge die Fäden gespannt werden. Beim Bulli ging ich in folgender Reihenfolge vor: Zuerst die schwarzen Räder, dann der grüne Teil des Chassis, dann der weiße Teil. Im Anschluss die Stoßstange in grau sowie das VW-Zeichen, ebenfalls in Grau. Zuletzt noch die Scheinwerfer und die Blinker.
Chaos Look - So einfach ist es!
Die Frage, die nun endlich geklärt wird ist wie dieser Chaos Look zustande kommt.
Ich werde ihn hier beispielhaft an der Grünen Fläche erklären. Die Technik kann auf alle anderen Flächen nach genau dem gleichen Prinzip angewandt werden.
Für die Scheinwerfer und Blinker habe ich mir eine besondere Technik überlegt. Doch dazu weiter unten genaueres.
Nun zum Grün!
Alle Flächen bestehen aus drei Schichten. Die ersten beiden sind lediglich zum Füllen mit Farbe, denn erst die letzte Schicht (auch Layer) verleiht diesem Kunstwerk den Chaos-Look. Los geht es mit einem beliebigen Nagel am Rand der zu färbenden Fläche. An diesem wird der Faden einfach mit einem Doppelknoten festgebunden. Anschließend wickelte ich die Kontur. Das heißt um jeden Nagel einmal außen herum und am nebenstehenden Nagel genau das gleiche bis einmal die Kontur umfahren ist. Achtet am besten darauf die Fäden auf dem Holzbrett nach unten zu drücken, um auch für die nächsten Schichten noch genug Nagel zur Verfügung zu haben.
Außerdem solltet ihr sorgfältig beim Spannen vorgehen, so dass diese von den Nägeln nicht aufgetrennt werden.
Ist die Kontur gewickelt, versuchte ich die Fläche so gleichmäßig wie möglich zu füllen, indem ich von oben nach unten die Fäden parallel zueinander legte. Hier ist vor allem zu beachten, dass der Faden immer auf Spannung gehalten werden muss, da er sonst einfach wieder von den Nägeln springt.
Sobald ihr die ganze Fläche mit parallelen Fäden gefüllt habt, sicherte ich den Faden am Schlussnagel mit einem einfachen Knoten, um ein Auftrennen des bereites gelegten Layers (auch Schicht) zu verhindern. Auch jetzt ist wieder ein guter Zeitpunkt, um alle gespannten Fäden an das Holz zu drücken. Nun versuchte ich, möglichst um 90° gedreht, erneut parallele Fäden zu spannen. Ist auch dies erledigt solltet ihr den Faden erneut mit einem einfachen Knoten am letzten Nagel festbinden. Jetzt sollte bereits eine relativ gute Ausfüllung der Fläche erreicht sein, die nach Möglichkeit viele gleichmäßige kleine Vierecke bildet. Dies könnte man auch schon so belassen, allerdings sieht es eher langweilig aus. Deshalb kommt nun die dritte und letzte Schicht, der Chaos-Layer.
Bei dieser Schicht springt ihr zufällig von Nagel zu Nagel. Das ist leichter gesagt als getan, deshalb habe ich euch nachstehend verschiedene Techniken skizziert, die verdeutlichen sollen, welche Möglichkeiten ihr habt, um den Zufall noch zufälliger zu machen (oder das Chaos noch chaotischer).
Diese Techniken könnt ihr nun in beliebiger
chaotischer Reihenfolge kombinieren, um den perfekten Chaos-Look zu erreichen.
Seit ihr mit eurem Ergebnisse zufrieden, knotet ihr den Faden mit einem Doppelknoten an den Nagel, an dem ihr aufgehört habt zu spannen. Achtet darauf den Faden nicht zu kurz abzuschneiden, sonst könnte sich der Knoten lösen. Ich empfehle einen mindestens 20 cm langen Restfaden. Später werden diese dann noch vernäht. Die nächsten Farbe habe ich mit genau demselben System aufgebracht.
Schritt 5: Sondermuster bei Licht, Blinker & VW-Zeichen
Bei den Lichtern habe ich mir etwas Besonderes überlegt. Auch hier begann ich zuerst mit der Kontur.
Also erst mit Doppelknoten festbinden und
einmal im Kreis um jeden Nagel herum. Anschließend startete ich das Muster indem ich quer über den Kreis zum gegenüberliegenden Nagel spannte. Von dort aus ging ich zu dem Nagel neben dem ersten zurück, um anschließend wieder neben den zweiten zu springen. Nebenstehende Skizze soll dieses Vorgehen verdeutlichen. Um nicht aus dem Takt zu kommen, benutzte ich folgenden Merkspruch:
Eines Mehr, eines Weniger.
Nachdem ich zweimal im Kreis gespannt hatte, fuhr ich nochmals die Kontur nach, indem ich wieder von Nagel zu Nagel jeweils einmal herum spannte. Anschließend wieder mit einem Doppelknoten festbinden. Nachdem ich dies auch für den anderen Scheinwerfer sowie die Blinker wiederholt hatte, machte ich mich an das Schwierigste.
Das VW-Zeichen
Hier nahm ich das Foto zur Hand, welches ich anfangs gemacht hatte, auf welchem die Nägel mit
Vorlage zu sehen waren. Und wickelte das VW-Zeichen, indem ich immer wieder die Konturen entlang wickelte. Durch die immer und immer wieder gleiche Wicklung kam das VW-Zeichen zu seiner Gleichmäßigkeit.Zuletzt wickelte ich die Kontur des äußersten Kreises einmal nach, um es zuletzt noch einmal zu umweben. Auch hier soll die Skizze verdeutlichen, welche Techniken hier Anwendung fanden.
Schritt 6: Fäden vernähen und zurechtrücken der Fäden
Letzte Verschönerungen
Um die Reststücke der Fäden zu verstecken nutze ich eine Häkelnadel, mit welcher ich die Fäden unter das bereits gespannte Gewebe zog und dort abschnitt. Da die Fäden unter dem Gewebe recht fest eingeklemmt sind, müssen diese auch nicht verknotet werden. Das Einfädeln mit der Häkelnadel kann sich als etwas fieselig erweisen, aber mit einer Prise Geduld ist auch das zu bewerkstelligen.
Zuletzt sollten die Ebenen noch zurechtgerückt werden. Hierfür habe ich die im Hintergrund liegenden Ebenen nahe an das Holz herangedrückt und die im Vordergrund liegenden etwas nach oben geschoben. Aber nicht zu weit, da die Fäden sonst von den Nägeln springen könnten.
Viel Spaß beim Nachbasteln!

Ich möchte dir gerne danken für diese tolle Anleitung! Ich habe das Bild mit den gleichen Abmaßen und dem gleichen Holz nachgebastelt. Da ich das Bild ursprünglich kleiner geplant habe, habe ich dünnen Häckelfaden (1,5-1,75mm Durchmesser, je Farbe 265m) genutzt, sodass am Ende Holz durchgeschaut hat. Das hat mir aber gut gefallen, weshalb ich nicht auf Wolle etc. umgestiegen bin. Von den Fäden war im Anschluss noch viel übrig. Statt Grün habe ich ein dunkleres Rot genutzt :). Für das ganze Projekt habe ich etwa einundhalb bis zwei Tage benötigt. Das Hämmern hat dabei ca. 90 min gedauert. Muskelkater in der Schulter und Handgelenkschmerz waren nach dem Projekt auf jeden Fall da ^^. Aber wenn man sich für das Projekt mehr…